Text_100: Bei 5 Interplast-Germany Einsätzen in Goma, DRCongo, zwischen 2015 und 2019, lernten wir auch eine Gruppe von 6 jungen Polio-Gelähmten, die "Power-Boys", kennen, die der damalige Bischof der Nazarener, Reverend Balibango, von der Straße aufgegriffen hatte, wo sie ihr Leben mit Klein-Diebstählen und Betteln fristeten, weil sie von ihren Familien "als Last" verstoßen wurden. Er sorgte dafür, dass sie im "Dr. Zanner-Institut", einer deutschen Schule eines Missionsdirektors aus Bad Homburg, das Abitur bestanden, aber jetzt kein Geld für ein Studium hatten.
Text_101: In der kongolesischen harten Gesellschaft gelten Gelähmte immer noch als Ausgestoßene, weil „ihre Mutter mit dem Teufel geschlafen habe“ und sie einen bösen Geist in sich tragen. Dabei sind die Mütter schuld an ihrem Leiden, weil sie ihnen die Polio-Impfung verweigert hatten, „weil die Weißen damit die Schwarzen ausrotten wollen“. Der Kongo ist noch voll von diesen alten Mythen.
Text_102: 1. Meine Familie finanzierte das Studium der 6 Power Boys mit je $5000-$10,000. Sie sind heute Medizinstudent, Gesundheits- oder Zoll-Beamter, Schuhmacher, NGO-Berater, und Rechtsanwalt und haben als Studierte Aussicht auf ein besseres Leben im Kongo. Bis dahin hatten sie in einer selbst gebauten Hütte gelebt und vorwiegend Maniok (die Tropenkartoffel) und Bananen angebaut.
Text_103: 2. Ihr Beispiel verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Goma und später auch in weit entfernten Städten wie Kindu und Lubambashi, sodass wir derzeit mehr als 80 Studenten und Handwerker mit Kinderlähmung oder Amputationen durch Kriegseinwirkungen mit neuen Beinschienen, Beinprothesen oder Rollstühlen versorgen. Mit „wir“ meine ich meinen ältesten Sohn Martin, der in großzügigster Weise die Finanzierung der Studiengebühren oder Einrichtung von Handwerksbetrieben oder Kleingeschäften übernommen hat.
Text_104: Die Ärmsten dieser Armen sind jedoch diejenigen, die als beidseitig Gelähmte auf den Dörfern leben, wo sie kein Geld für Krücken, Beinschienen oder gar einen Rollstuhl bekommen, sondern seit ihrer Kinderlähmung-Infektion im Alter von 3 bis 5 Jahren auf dem Boden herumrutschen und sich als Bettler ihr dürftiges Leben „verdienen“.
Als ich diese Bilder sah, die der Power Boy David, der einmal Orthopäde werden möchte, aufnahm, bestellte ich sofort in China 20 Rollstühle, wo sie $130 kosten statt $ 600 in Goma, und ließ sie mit dem Container für die Inneneinrichtungen des REHEMA-Hospitals nach Goma bringen.
Text_105: 3. Das Hauptanliegen dieser Polio-Gelähmten ist jedoch weniger ihr armseliger Lebensunterhalt, sondern die Anerkennung als gleichberechtigte und sozial integrierte Mitbürger. Natürlich gibt es unter ihnen genauso viele Intelligente und engagierte Köpfe wie unter den Gesunden. So haben Elisha und Prince bereits 2 kleine Organisationen „Accessibility and Disabled Inclusion“ (ADI) und „Voice of the African Child“ (VAC) gegründet, die aber an chronisch finanzieller Unterstützung leiden, weil im Kongo das Wort Empathie mit den Ärmeren unbekannt scheint.
Text_106: Da sich aber die ersten 5 Engagierten nicht auf eine Organisation einigen konnten, die nicht nur in Goma aktiv werden sollte, sondern auch ein anerkannter Partner mit finanziellem Hintergrund bei deutschen Stiftungen für eine dauerhafte Unterstützung nach meinem Ausscheiden aktiv bleiben sollte, gründeten die 3 Mitglieder Pascal Niyonzima (Betriebswirt), Jackson Byenda 1(IT-Spezialist) und David Mbavu (Medizinstudent) im September 2023 die Organisation „Action et Developpement des Handicapes au Congo“ (ADHC).
Text_107: Diese 3 Aktiven haben zunächst eine Behindertenwerkstatt für Beinschienen, Bein-Prothesen und Rollstühle etabliert und Jackson (links) überweist die Studiengebühren im Kongo.