Gottfried Lemperle
Christoph Sachs
Katja Kassem-Trautmann
Carsten Schröder
Jörg Kalla
Gottfried Lemperle
Gottfried Lemperle
Katja Kassem-Trautmann, Plastische Chirurgie Zug, Schweiz
Arthur Charpentier1, Gottfried Lemperle2
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Katja Kassem-Trautmann, Plastische Chirurgie Zug, Schweiz
Zusammenfassung
Da das Fachgebiet der plastischen Chirurgie keine aufwendige Diagnostik erforder, sind Operationseinsätze in den Entwicklungsländern besonders effektiv: Anzeichnen, Exzision, Defektdeckung mit Lappen oder freien Transplantaten; die Nachsorge übernehmen die lokalen Ärzte. So können in zwei Wochen 100 bis 200 Patienten* operiert werden, die sonst keine Chance dazu hätten. Einige extreme, aber typische Fälle von Hauttumoren werden im Folgenden demonstiert.
Schlüsselwörter: Hauttumoren, Verbrennungen, Demokratische Republik Konto, Interplast-Germany
Interplast-Germany e.V. ist ein Zusammenschluss plastischer Chirurgen, die anstelle eines Urlaubs ihre freie Zeit mit Operationen in Entwicklungsländern verbringen, in denen die Menschen keinen Zugang zu chirurgischer Versorgung in diesem Spezialgebiet haben. Interplast-Germany wurde vor 40 Jahren in Frankfurt gegründet. Inzwischen finden sich in jedem Jahrt etwa 70 Teams zusammen, die weltweit mehr als 4.000 Patienten bei ihren Einsätzen operativ versorgen.
Mangel an medizinischer Versorgung und Ausbildung im Kongo
Der Kongo ist ein aus medizinischer Sicht vernachlässigtes Land: sechsmal größer als Deutschland, aber mit ähnlichen 90 Millionen Einwohnern*, ist er noch auf einer Stufe wie Europa vor 150 Jahren. Korruption der Regierenden und 60 Jahre Bürgerkrieg haben jede Entwicklung sowie Investitionen von außen verhindert.
Es gibt nur wenige Ärzte (1:10.000 einer auf 10.000 Einwohner?) und vor allem kaum Chirurgen. Weiterbildungs-Assistenten müssen an den meisten afrikanischen Universitäten hohe Gebühren bezahlen, um assistieren zu dürfen. Daher ist es häufig der Fall, dass in Subsahara-Afrika benigne und maligne Tumoren bei den Patientinnen und Patienten isn Uferlose wachsen und ihre Träger töten.
Interplast Einsätze in Goma
Mit einem Interplast-Team waren wir zwischen 2015 und 2018 sechsmal in Goma, einer Zweimillionenstadt an der Grenze zu Ruanda. Da wir in keinem der drei großen lokalen Hospitäler operieren durften, fanden wir eine Blutbank mit einer dürtig eingerichteten Operationszimmer ohne fließendes Wasser und mit häufigem Stromausfall.
Katja Kassem-Trautmann, Fachärztin für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (FMH)
Patientin mit einseitigem Keloid nach ifniziertem Ohrstecker.
Jeden Morgen standen bis zu 200 Patientinnen und Patienten mit ihren Angehörigen vor dem Eingang, von denen wir - ja nach Schweregrad - in den jeweils 10 Tagen unseres Aufenthalts 120 bis 200 Patienten von äußeren Leiden befreien konnten. Engagierte medizinische Kolleginnen und Kollegen assistierten uns in Goma.
Tumoren, Verbrennungskontrakturen und tropische Infektionen
Die Mehrzahl der afrikanischen Patienten aus Goma hat große Tumoren (knöcherne Gesichtstumoren, Hals-Lymphome, Strukmen, große Keloide), Verbrennungskontrakturen und Endzustände tropischer Infektionen. Säuglinge mit angeborenen Fehlbildungen schaffen es meist nicht ins Leben. So gehören zu unseren vordringlichen Aufgaben das Entfernen monsträser Gesichtstumoren mit anschließender Wiederherstellung und die Lösung extremer Verbrennungskontrakturen.
Diese Kontrakturen entstehen nach drittgradigen Verbrennungen, wenn Kleinkinder ins holzfeuer fallen oder von Tieren hineingestoßen werden. Häufiger infizieren sich jedoch zweitgradige Verbrühungen, wenn sich Kleinkinder an einem Kessel mit kochendem Wasser hochziehen. Leist ist weltweit die sofortige Kaltwassertherapie
Abb. 3 a-c: Zwei Goldgräber, deren Lippen von Rebellen abgeschnitten wurden.
weitgehend unbekannt, denn jedes Wasser unter 37 Grad nimmt die Verbrennungshitze von über 70 Grad ebenso schnell aus der Haut. Wo Kinder spielen, sollte neben jeder Feuerstelle ein Eimer mit Wasser stehen1.
Trotz der sehr guten Nachsorge durch die lokalen Kollegen fehlen uns oft später OP-Ergebnisse, da viele Patienten direkt nach der Operation wieder in den Busch zurückkehren. Aufklärung und prävention könnten mitunter die ein Leben lang verunstalteten Verbrennungsnarben verhindern. Im Folgenden seien einige eklatante Fälle aus dem Kongo vorgestellt. Diese erfordern unter den dort mangelhaften diagnostischen und operativen Umständen viel Intuition, Flexibilität und Improvisation. Das macht diese Interplast-Einsätze aber auch so interessant und lehrreich.
Fallbeispiele
Patient mit typischem Neurofibrom im Gesicht (Abb. 1a, b)
Diese Tumoren gehören mit zu den am schwierigsten plastisch zu operierenden, da sie von einem Netzwerk stark blutender Arterien durchzogen sind und deshalb offensiv und schnell operiert werden müssen. Leider ist die verbleibende Haut der Umgebung ebenso unelastisch verändert, sodass das zunächst befriedigende Ergebnis nach einigen Jahren wieder zu einer Operation zwingt.
Patientin mit einseitigem Keloid (Abb. 2a)
Diese Patientin weist ein seit sieben Jahren wachsendes einseitiges Keloid auf, das seit zwei Jahren jedoch nicht mehr wächst. Klinisch ist es "reif", das heißt nicht mehr prall, sondern eindrückbar, und kann deshalb chirurgisch entfernt werden - mit Triamcinolon in der Rückhand. Das Ergebnis nach einem Jahr ohne Rezidiv (Abb. 2b) war vorhersehbar, da einseitige Keloide am Ohr nicht durch "Veranlagung" entstehen, sondern auf dem Boden von Infektionen - wie alle Keloide! - und im "reifen" oder gar "ausgebranten" Zustand bedenkenlos entfernt werden können2.
Patient mit mutilierten Lippen (Abb.3a-c)
Zwei private Goldgräber, die von Rebellen gefangen genommen wurden und leugneten, Gold zu besitzen. Daraufhin schnitten ihnen die Rebellen alle acht Langfinger und beide Ohren ab. Als einige Goldnuggets gefunden wurden, schnitten ihnen die Rebellen auch die Lippen ab - damit sie nie wieder lügen können. Wir unterminierten beide Wangen und zogen sie zur Mitte zusammen. Die Unterlippe entstand durch einen umgekehrten Visierlappen vom Hals3.
Kontrakte Hände bei Kindern (Abb. 4a,b)
Drittgradige Verbrennungen oder Verbrühungen beantwortet der Körper ohne Hauttranspantationen damit, dass die umgebende gesunde Haut immer mehr schrumpft und dabei die verbrannte Fläche verkleinert. Bei Kindern lassen sich derart kontrakte Hände problemlos strecken, da noch keine knöchernen Versteifungen erfolgt und die Strecksehnen meist nicht mitverbrannt sind. In Entwicklungsländern handelt es sich meist um primär zweitgradige Verbrühungen, die sich in den folgenden Wochen infizieren und dabei zu drittgradigen Defekten konvertieren.
Abb. 5 a-c: Junge Patientin mit einseitiger Elephantiasis
Patientin mit einseitiger Elephantiasis (Abb.5a-c)
Junge Frau mit einer einseitigen Elephantiasis, wahrscheinlich aufgrund eingedrungener, in den Lymphgefäßen hochgewanderter und sich vermehrender Filarien. Nach Exzision der gesamten befallenen Haut konnte mit dem mitgebrachten Dermatom und einem "Mesher" der große Defekt mit "gemeshter" Spalthaut, weitgehend vom gleichen Unterschenkel, gedeckt werden.
Fazit
In den Entwicklungsländern, in denen es oft keine erfahrenen Chirurgen gibt, wachsen Haut- und Knochentumoren häufig ins Uferlose. Vor Ort operierende Interplast-Teams können deshalb in kurzer Zeit sehr viel Erfahrung erlangen, auch mit der einfachen Rekonstruktion nach der Entfernung solcher Tumoren.
Da die Weiterbildung in der plastischen Chirurgie dort rückständig ist, wird Afrika auch in den kommenden Jahrzehnten auf Unterstützung angewiesen sein.
Literatur
Korrespondenzadresse
Katja Kassem-Trautmann
Fachärztin für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (FMH)
Bahnhofstrasse 32
6300 Zug, Schweiz
E-Mail: plastische-chirurgie-zug@hin.ch
www.plastische-chirurgie-zug.ch
Dieser Beietrag basiert auf einem Vortrag beim 7. Online-Narbensymposium der Firma Juzo am 24.02.2020